Wein-Einkauf in Südfrankreich.
Ein Reisebericht von Tino Seiwert.
Ein deutscher Vinothekar auf Einkaufsreise in Südfrankreich. Seine Einschätzung des aktuellen Jahrgangs, seine Erlebnisse mit den Winzern und eine Analyse des aktuellen Jahrgangs.
"In den letzten Wochen habe ich intensiv die südfranzösischen Weinbauregionen besucht, um mir nach ausgiebigen Degustationen ein abschließendes Urteil über die jetzt auf den Markt kommenden Spitzencuvées des 2000er Jahrgangs bilden zu können und um erste Eindrücke des Jahrgangs 2001 zu gewinnen.
Der Jahrgang 2000 wird bereits seit seiner Ernte unisono von Fachpresse und Winzern enthusiastisch bejubelt, und in der Tat waren die Voraussetzungen für einen großen Jahrgang erstaunlich gut. Nach einem trockenen Winter (Ausnahme Corbières mit riesigen Überschwemmungen im November 99)
befriedigte der warme Frühling mit etlichen Regentagen die Wasserbedürfnisse der Reben.
Anfang Juni begann eine frühe Blüte, und ein wunderschöner, warmer August ließ den kühlen, windigen Juli schnell vergessen, was wieder einmal das französicher Winzerwort bestätigte: " L'août fait le moût - Der
August macht den Most". Dank zweier kurzer Niederschlagsperioden Ende Juli und im August litten die Reben nicht unter Trocken-Stress wie häufig im 98er Jahrgang. Günstige Winde und ein trockener und warmer Septemberbeginn, begleitet von einer zu diesem Zeitpunkt günstigen Wasserknappheit, förderte die optimale Ausreifung sehr gesunden Traubengutes.
Im Roussillon hat es die Natur besonders gut gemeint mit den Winzern, da die Trauben sehr früh eine hohe physiologische Reife erlangten, so dass frühzeitig ein extrem gesundes Traubenmaterial mit einem perfekten
Gleichgewicht aller wichtigen Parameter eingebracht werden konnte, was sich heute nach der Abfüllung in tiefdunklen, harmonischen, reichhaltigen, konzentrierten, aber gleichzeitig eleganten, finessenreichen und fruchtbetonten Weinen mit einem großen Reifepotential niederschlägt.
Im Languedoc stellt sich die Situation bei weitem nicht so einheitlich dar, wie es die Jahrgangsvoraussetzungen mit einem vielfach im optimalen Gesundheitszustand eingebrachten Lesegut hätten erwarten lassen. Als ein wesentliches Problem erwies es sich, dass erstaunlich viele Winzer auf eine Ausdünnung des reichlichen Trauben-Behangs verzichteten und so zu hohe Erträge einbrachten, was zu farbschwachen, relativ dünnen Weinchen führte mit einem Mangel an Komplexität. Nicht selten zeigt sich auch wieder das aus dem 98er Jahrgang bekannte Phänomen, dass trotz dicker Beerenschalen eine zu lange Maischezeit gewählt wurde, so dass viele Gerbstoffe extrahiert wurden mit der Folge, dass eine Reihe von Weinen wiederum zu tanninbeladen sind und nur über einen kurzen, trockenen Abgang verfügen.
Wollen manche Winzer einfach nicht dazu lernen? Jedenfalls war die meisterliche Beherrschung der Tanninextraktion ebenso wie der Vermeidung zu hoher Alkoholwerte der
Schlüssel zum Erfolg in diesem letztlich erstaunlich inhomogenen Jahrgang.
Die wirklich guten Winzer, die mit diesen Jahrgangsbedingungen adäquat umzugehen wussten, haben jedenfalls herausragende Ergebnisse erzielt, mit die besten Weine, die bisher im Midi erzeugt wurden. Und das nach meinem präferierten Geschmacksbild besonders Erfreuliche dabei: Viele exzellente
Winzer vollziehen einen Stilwandel, weg von schierer Kraft und Konzentration hin zu zwar immer noch sehr dichten und konzentrierten Weinen, die jedoch weit mehr als in der Vergangenheit über eine hohe Eleganz, eine delikate Finesse und eine beeindruckende Fruchtfülle verfügen sowie über eine angesichts der südlichen Anbauzone bemerkenswerte Frische und Kühle, über
eine ausgeprägte Mineralität, Extrakt-Reichtum und geschliffene, seidene Tannine.
Zudem zeitigt sich im Süden Frankreichs immer deutlicher bei qualitätsorientierten Winzern eine Hinwendung zu den Prinzipien des
biologischen oder zumindest naturnahen Anbaus, was nicht nur dem Geschmack, sondern auch der Bekömmlichkeit der Weine sehr zu gute kommt.
Beachten sollte man auch, dass die riesige Fläche der Weinberge des Languedoc stärker von mikroklimatischen Besonderheiten geprägt ist als die deutlich kleinere Region des Roussillon, so dass Qualitätsunterschiede
zwischen den Appellationen nicht ausbleiben können. Die besten Resultate im 2000er Jahrgang kommen eindeutig vom Pic Saint-Loup, aus Saint-Chinian, aus Faugères, aus dem Minervois, besonders La Livinière (hier war eine strikte Ertrags-Begrenzung besonders wichtig), und von einigen Spitzen-Winzern aus Montpeyroux.
Fazit: Der 2000er Jahrgang scheint mir im Roussillon (mit Ausnahme des Collioure) der beste bisher erzeugte überhaupt zu sein, uch auf relativ einheitlich hohem Niveau. Im Languedoc dagegen ist bedeutend mehr Vorsicht
geboten, denn es ist wieder einmal ein sehr heterogenes Jahr, in dem die Arbeit des Winzers im WEINBERG, und nicht im Keller, über Erfolg oder Misserfolg entschied.
Nur wer die Erträge strikt begrenzte, die Extraktion der Tannine meisterhaft beherrschte und durch den richtigen Lese-Zeitpunkt bei voller physiologischer Reife der Trauben zu hohe Alkoholgrade vermied, der hat wahrlich große Qualitäten zu bieten, die auf dem Niveau des grandiosen 98ers, bisweilen gar noch darüber liegen.
Die ersten Fassproben des Jahrgangs 2001 sowohl im Languedoc wie im Roussillon sind ebenfalls sehr vielversprechend, bei fast allen von mir verkosteten Weinen scheint die Qualität zumindest das gleiche Niveau wie in
2000 aufzuweisen, mit dem gleichen Wermutstropfen allerdings im Freudenbecher wie an der südlichen Rhône: Die Quantitäten liegen z.T. deutlich unter denen des Vorgängerjahres, Preissteigerungen werden daher in diesem Jahrgang kaum zu vermeiden sein.
Ein Kompliment jedoch an viele TOP-Winzer wegen ihrer ausgesprochenen Preisdisziplin im Jahrgang 2000. Trotz ihrer Spitzen-Resultate haben sie die Preise, wenn überhaupt, nur sehr moderat erhöht."
Bericht von Tino Seiwert Geschäftsführer von
pinard-de-picard
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