So ein Theater.
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- Adanti.
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Mit viel Tam -Tam wurde das Mäuslein geboren.
Wie man in anderen Artikeln von mir lesen kann, mag ich Montefalco. Und ich mag diesen unglaublich komplexen Wein, den es nur dort gibt, den Sagrantino. Aber was sich die Herrschaften dort jetzt ausgedacht haben ist mehr als nur eine schlechte Posse.
Klassifikation des Sagrantino.
Italienische Posse in mehreren Akten.
Regie: Consorzio Tutela Vini Montefalco.
Darsteller: Fünf BürgermeisterInnen, diverse Agrar-Politiker, italienische und französische Universitätsprofessoren, ein französischer Wein-Journalist und ein Gourmet-Papst.
Die Krise treibt manchmal wirklich seltsame Blüten.
Eine der seltsamsten Veranstaltungen fand Im November 2009 in Montefalco, einem bezaubernden uralten Städtchen in Umbrien statt. Nachdem man Jahrzehnte lang immer mehr und mehr Weingärten gepflanzt hat, überlegt man nun, wie man denn diese Weine auch verkaufen könnte.
Ein paar Zahlen gefällig? Alleine zwischen 2000 und 2008 stieg die Produktion von Sagrantino von 660.000 Flaschen auf über 2,5 Millionen, also auf mehr als das Vierfache. In den letzten sieben Jahren entstanden 32 neue Weingüter. Die Anbaufläche für D.O.C.G. Sagrantino stieg überhaupt gleich auf das fünffache von 122 auf 660 Hektar.
Sagrantino di Montefalco ist zwar ein ziemlich interessanter Wein, aber relativ unbekannt und vor allem – nennen wir es einmal ein Wein für Fortgeschrittene. Ein Wein mit sehr hohen natürlichen Phenolen bzw. Tanninen. Auf gut Wienerisch, richtige Pelzgoscherl.
Das kann sehr, sehr gut sein, speziell wenn man intensive, lagerfähige Rotweine mag. Denn es sind Weine, die man theoretisch sehr lange lagern kann. In Zeiten, in denen Weine allerdings immer jünger getrunken werden, kommt das aber nicht mehr ganz so gut an. Weine, die erklärungsbedürftig sind, werden zwar von einigen Wein-Liebhabern gesucht, der (immer jünger werdende) „normale“ Weinkonsument tendiert aber eher zu leichteren, trinkfreudigen Weinen.
Also kam man in Montefalco auf die Idee, eine Klassifizierung einzuführen und lud etwa 50 Wein-Profis, Journalisten und Importeure nach Montefalco, um diese Idee vorzustellen. Prinzipiell ja keine schlechte Idee. Nur an der Umsetzung hapert es doch gewaltig, denn statt einer Klassifikation wurden uns Ideen, Plattitüden und politische Absichtserklärungen in endlos langen Vorträgen serviert.
Erster Akt.
Die zu einem Museum umgewandelte, wunderschöne Kirche San Francesco. Es ist 9 Uhr früh und eiskalt. Vier Stunden lang referieren die Politiker und Universitäts-Professoren – meist auf Italienisch, es gab zwar eine Simultanübersetzung auf Englisch, bei der man aber das mangelnde Fachwissen deutlich merkte und daher besser dem Original lauschte – über die Krise in der Weinbranche und über die Idee einer Klassifikation. Seltsamerweise wurde ausgerechnet die Klassifikation von St. Emilion, die ja gerade von den Gerichten mehr oder minder aufgelöst wurde, als Beispiel genommen.
Frierend hören wir zuerst endlos lang Statistiken über italienische Weinproduktion und Exporte. Zahlen, die man oft vergeblich versucht zu bekommen. Hier wurden sie präsentiert, allerdings bekamen wir sie natürlich nicht ausgedruckt.
Gourmet-Papst und Gambero Rosso Chef Daniele Cernilli, der als Moderator aufs Podium gesetzt wurde, erklärte uns dann, dass die „alte Welt“ Marktanteile verliert und 40-50% der Weinproduktion in den Kellern liege, weil Länder wie Argentinien mit Flaschenpreisen von 1,- Euro in den Markt gehen, und da käme man mit den höheren Boden-Preisen und Produktionskosten nicht mit. Nun, das ist nicht wirklich neu.
Der Universitätsprofessor Vincenzo Zampi aus Florenz erklärte, dass das Appelations-System seinerzeit gegründet wurde, um besser zu verkaufen, was aber bei unbekannteren Regionen nicht funktioniere. Kein Wunder – dass es in Italien viel zu viele DOC’s gibt, weiss eigentlich auch jeder. Nicht einmal Funktionäre der italienischen Verbände können alle aufzählen.
Also müsse man eine „Marke“ schaffen. Sagrantino sei ja bekannt, aber die Qualitäten, Stile und vor allem die Preise viel zu unterschiedlich. Da hat er wohl Recht. Aber eine Vereinheitlichung will ja eigentlich auch niemand.
Und dann Haut Brion als Beispiel für eine funktionierende Marke herzunehmen ist wohl einigermassen absurd und überhaupt nicht vergleichbar.
Was auch Denis Dubourdieu, Professor der Universität Bordeaux gleich danach feststellt, in dem er das Image als Preisfaktor definiert, weswegen es eben in Bordeaux für die klingenden Namen Preise bis 300,- oder 1500,- Euro pro Flasche gäbe, während daneben „petits chateaux“ bei 2,- bis 3,- Euro herumdümpeln (Naja, 10,- bis 15,- ist wohl realistischer, aber eben auch nicht gerade viel im Vergleich).
„Durch zu hohe Weinproduktion und Konkurrenz aus Übersee entstand eine Standardisierung der Wein-Stile. Immer weniger Rebsorten und immer ähnlicherer Ausbau, immer süsser und immer mehr Eichengeschmack waren die Folge.“ Jaja, immer die bösen Amis. Dass man sich diesem Einheitsgeschmack nicht hätte anpassen müssen, sagt wieder keiner.
„Everybody knows how to produce low-cost-wines in large quantities“. Okay, das stimmt.
Sein Vortrag ist der erste, der ein wenig wachrüttelt, obwohl auch Dubourdieu’s Argumente wahrlich nicht neu sind. Dass z.B. „wine always the customers child“ ist – oder rare und teure Weine schon ab der griechischen Geschichte bekannt waren, mag ja alles richtig sein, wer aber kann sich denn solch teure Weine leisten? Und: Es können ja wohl nicht alle Massen-Produzenten jetzt nur mehr teure Qualitätsweine herstellen. Die würden wohl genauso wenig zu verkaufen sein.
„Wenn man erklären muss, warum ein Wein gut ist, dann ist das dasselbe, wie wenn man erklärt, warum ein Witz lustig ist!“ Naja.
Trotz aller Platitüden, die er losliess, war sein Fazit doch recht lustig: „Eine Bordeaux ähnliche Klassifikation in Montefalco ist Nonsens.“
Keine Lösung in Sicht.
Sehr fundiert und realtitätsnah war dann Thierry Desseauve, einer der bekanntesten Weinjournalisten Frankreichs.
Er glaube durchaus, dass eine Klassifikation einen positiven Einfluss auf die ganze Region haben könnte. Aber so richtig vorstellen könne er es sich nicht, da jedes Gut ja mehrere Weine produziere, nicht nur den Topwein. Der Konsument nähme dann aber wohl an, dass alle Weine klassifiziert seien.
Das Hauptproblem einer Klassifikation seien aber die Kriterien. Bewertet man die Lagen oder die Weine? Wer stellt die Jury? Seiner Meinung nach müsse die Jury international besetzt sein und mehrere Jahrgänge zurück verkosten, um das Reifepotential feststellen zu können.
Dazu müsse es eine Marktanalyse geben, um festzustellen, welchen Wert der Wein auf dem Markt hat. Und – es müssten alle Produzenten der Region an einem Strang ziehen – das sei wohl die schwierigste Aufgabe.
Auch Professor Attilio Scienza Oenologie-Professor der Universität Mailand, stellte die Frage, wie die Klassifikation bestimmt werden solle: über den Wein, die Menschen oder das Terroir. Und als Einziger wies er darauf hin, dass Sagrantino in früherer Zeit nur als Passito (als süsser Rotwein aus angetrockneten Trauben) hergestellt wurde. Und der trocken ausgebaute Sagrantino noch kein Image habe.
Nach vier Stunden war also klar, es gibt noch keine Spur einer Lösung.
2. Akt: Das Kloster Sant’ Agostino.
Die Verkostung der aktuellen Weine.
Auch hier zeigte sich die Uneinigkeit der Winzer. Denn einige der bekanntesten Sagrantino-Produzenten fehlten bei der ganzen Veranstaltung, hier stellten gerade einmal 24 Weingüter ihre Weine vor. Und auch diese hatten durchaus unterschiedliche Jahrgänge mit, weil man eben unterschiedlicher Ansicht über die Ausbauzeit ist.
Man präsentierte also Rosso di Montefalco
(Meist 60-70% Sangiovese, 10-15% Sagrantino und der Rest aus Merlot und/oder Cabernet Sauvignon) aus den Jahren 2005, 2006 und 2007.
Vereinzelt gab es auch Rosso Riserva.
Die Besten:
88 Punkte:
Castel Buono Rosso 2006
Di Filippo Salustio Rosso 2007
87 Punkte:
Alzatura Rosso 2006
Cesarini Sartori Signae Rosso 2006
Colle Giocco Rosso 2007
Moretti Omero Rosso 2007
Villa Mongali Rosso “Le Grazie” 2005
Antonelli Rosso 2006
86 Punkte:
Madonna Alta Rosso 2007
Colpetrone Rosso 2007
Antonelli Rosso Riserva 2005
85 Punkte:
Scacciadiavoli Rosso 2006
Adanti Arquata Rosso 2006
ColSanto Rosso 2007
Sagrantino di Montefalco.
(muss zu 100% aus Sagrantino gekeltert werden) .
Die Besten:
94 Punkte:
Antonelli „Chiusa di Pannone“ (alte Einzellage) 2004
92 Punkte:
Fratelli Pardi Sagrantino 2005
Villa Mongalli „Pozzo del Curato“ 2004
90 Punkte:
Antonelli Sagrantino 2005
Colpetrone “Gold” 2005
Di Filippo Sagrantino 2005
Perticaia Sagrantino 2005
Alzatura UNO 2005
89 Punkte:
Villa Mongalli “Della Cima” (Einzellagen-Sagrantino) 2004
Tudernum Sagrantino 2005
Novelli Sagrantino 2005
3. Akt. Das sehenswerte Theater Torti in Bevagna.
Die BürgermeisterInnen der fünf Gemeinden in der Anbauregion und irgendein Funktionär aus dem Landwirtschaftsministerium beginnen mit der Folter.
Knapp 50 meist ausländische Wein-Importeure und Journalisten, allesamt ziemlich hungrig und bereits hundemüde werden zwei Stunden lang mit politischen Absichtserklärungen und Berichten, wie man in den USA Promotion für die Region gemacht habe, in langwierigen und kaum voneinander abweichenden Reden gequält. Ansprachen, die nicht nur kaum jemand im Publikum versteht, sondern auch mit Sagrantino und der Klassifikation so gut wie nichts zu tun haben, ausser, dass man damit den 30. Jahrestag der DOC Montefalco begehen wollte.
Abschlusssatz der Präsidentin des Consorzios, Patrizia Crociani, sie fasst den Tag dann mit der Aussage zusammen: „Wir werden uns nächstes Jahr wieder treffen, vielleicht sind wir dann unserem Projekt schon einen Schritt näher gekommen“. Dem ist nichts hinzuzufügen, ausser vielleicht, dass die meisten sich das wohl kein zweites Mal antun werden.
Tag 2. Die Hoffnung erwacht.
Der Besuch in einigen Weingütern zeigt deutlich, was es wirklich braucht: Motivierte creative Produzenten. Und die gibt es.
Antonelli, Andanti und ColSanto
stehen auf dem Programm meiner Tour.
Allesamt grossartige Produzenten, jeder mit sehr deutlicher eigener Stilistik, was nicht nur durch die ziemlich unterschiedlichen Böden und Makroklimata erklärt werden kann, sondern auch durch unterschiedliche Vinifikation. Was zeigt, dass man aus dieser einzigartigen autochthonen Traubensorte offenbar sehr gut eine eigene Stilistik keltern kann. Und: Seit meinem letzten Besuch vor drei Jahren ist eine deutliche Qualitäts-Steigerung bemerkbar.
Alle Winzer zeigten uns eine Jahrgangs-Vertikale, woran man die Lagerfähigkeit deutlich feststellen konnte.
Während Antonelli sehr deutlich - und erfolgreich - auf Finesse und Eleganz setzt, wobei man deutlich eine Weiterentwicklung in den letzten Jahren feststellen kann, geht man bei Andanti den Weg traditioneller. Seine Vertikale war geprägt von einer durchgehenden Stilistik, tanninbetont und mit viel dunkler Frucht in mächtigem Körper. Das ist zwar ein grossartiger und für die Sorte typischer – aber doch recht eigenwilliger Wein. Hier passt der Terminus: „Wein für Fortgeschrittene“ trefflich.
Bei ColSanto, einem relativ neuen Projekt der Familie Livon aus dem Friaul, die neben den drei Weingütern im Collio auch eines im Chianti-Gebiet betreiben, steht man noch ein wenig am Anfang, denn die Jahrgänge 2003 und 2004, die eine deutlich andere Stilistik als der 2005er zeigten stammten auch noch aus zugekauften Trauben, die eigenen Weingärten kamen erst 2005 in Ertrag. Wenn diese Richtung beibehalten wird, darf man hier allerdings in Zukunft sehr fein strukturierten Sagrantino erwarten.
Die Spannung zwischen den Traditionisten und den vielen relativ neuen Weingütern lässt aber durchaus auf interessante Weine hoffen. Dann nämlich, wenn man beginnt wirklich an einem Strang zu ziehen und Sagrantino zu einem Image-trächtigen Wein machen. Mit oder ohne Klassifikation.
Lesen Sie mehr über Weingüter, Region und die Weine in unseren anderen Artikeln zum Thema, die oben verlinkt sind.
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Tolles Ergebnis.
Bildergalerie Montefalco in Bildern.
Manchmal sagen ja Bilder mehr als Worte. Und eine Landschaft, Weinkeller oder Menschen, die dahinter stehen sind gute Motive.
Zu Antonelli führt ein kleiner Fussmarsch...
Das uralte Städtchen Montefalco in Umbrien trohnt, wie viele andere in Italien hoch oben am Berg. Die alten Gemäuer sind noch intakt, selbst die "Burg-Tore", durch die nur mehr die Lieferanten und Anrainer ins Zentrum fahren dürfen.
...dann sieht man schon die ersten Fässer...
Im Herbst sind die Farben der Natur einfach unbeschreiblich.
...vor denen wir dann die Verkostung durchgeführt haben.
...durch ein wunderbares Tor, die Wege und die Gärten gehegt und gepflegt, mit jeder Menge Details aus Jahrhunderten. Hier kann man übrigens auch im Agriturismo übernachten, Kochkurse und natürlich Weinverkostungen besuchen.
Im Keller finden sich gar nicht wenige Fässer von österreichischen Fassbindern. Von Stockinger und Pauscha, das freut den Patrioten natürlich und plötzlich weiss er, warum ihm die Antonelli-Weine immer gar so gut schmecken ;-)
Die Weingärten liegen auf den Hügeln rund um die Stadt.
Ein Blick zurück. Aber wir kommen wieder. Versprochen.
Bei ColSanto ist auch der Keller neu und verleitet den Fotografen zu Spielereien, wie man auf den nächsten Bildern sieht...
Ein Önologe zeigt uns Sangiovese und Sagrantino-Trauben, der Unterschied ist deutlich sichtbar.
Alte Etiketten-Entwürfe.
Neu angelegte Weingärten bei ColSanto.
...ein bisschen näher...
Einige dieser alten Raritäten durften wir dann auch verkosten.
Der Chef, Filippo Antonelli erklärt gerne die lange Geschichte des Gutes von den Langobarden über die Bischöfe bis zum heutigen Tag. Ein sehr eloquenter Erzähler und Genussmensch.
Die Weingärten des Weingutes Adanti, einem Traditionalisten, wenn man so will.
Eine besonders schöne Sagrantino-Traube.
Noch ein paar Weinbergs-Impressionen...
...weil's gar so schön bunt war.