Zweitausendfünfhundert Flaschen. Und Aus.
Wir besuchten Henrik Möbitz, der lieber keltert als töpfert.
Baden, das Weinbaugebiet im Süden Deutschlands, ist nicht ständig in den Medien, wie die nördlichen Kollegen. Das ist ungerecht. Denn hier gibt es großartige Winzer, die es wert sind. Manche sind so klein, dass man sie Garagenwinzer nennt. Henrik Möbitz ist so einer.
Weine, die bis in die Haarspitzen auf Populismus getrimmt sind, gibt es zuhauf. Moderne Kellertechnik und gut ausgebildete Winzer in Kombination mit zielführendem Marketing machen das möglich. Doch abseits der Designerweine wird es interessant den Blick auf die stillen Nischenprodukte zu werfen, die ihr Dasein fristen als ewiger Geheimtipp.
Es gibt eine kleine Schar von Winzern, die sich um Zielgruppen und angepasste Geschmäcker wenig scheren. Die ihre Weine dermaßen puristisch und schwer zugänglich machen, dass man annehmen könnte, sie möchten so wenig Leute wie möglich ansprechen und so viel Normaltrinker wie möglich vergraulen. Diese Extremwinzer gibt es. Henrik Möbitz aus Ehrenstetten in Baden ist einer von ihnen.
Ein kleines aber wichtiges Detail unterscheidet Henrik Möbitz von den allermeisten seiner Winzerkollegen: Er macht Weine nicht, weil er von ihnen leben muss. Er ist, wie man so schön sagt, Garagenwinzer. Seine Kostbarkeiten stellt er im Nebenerwerb her. Diese bequeme Tatsache befähigt ihn, die Weine kompromisslos unanbiedernd zu produzieren, sodass er auf Massengeschmäcker pfeifen kann.
"Andere Leute töpfern, ich mache eben Wein".
Möbitz macht Weine, wie er sie machen will. Ohne kommerziellen Druck von aussen. Ohne riesige Mengen auf den Markt schleudern zu müssen, weil vertragliche Abnehmer ungeduldig auf den blutjungen Jahrgang warten. Und wenn Möbitz seine Werke doch zum Wiederverkauf in homöopathischen Dosen in den Handel gibt, braucht er nicht um jeden Cent zu feilschen. Denn was Möbitz macht, trägt sich durch Leidenschaft, durch Herzblut und nicht durch Margen.
Streng genommen müsste man Möbitz harmlos als "Hobbyweingut" bezeichnen. Doch schwingen mit der Bezeichnung "Hobby" eher Assoziationen von Modelleisenbahn und Taubenzüchtung mit, als dass es seiner Betätigung als seriöser Weinmacher gerecht würde. "Andere Leute töpfern, ich mache eben Wein", kommentiert Henrik Möbitz das lapidar. Wie gut, dass er einen gut bezahlten Job bei einem Weltunternehmen in Basel hat, das ihm eine solide finanzielle Grundlage gibt, Weine nach Feierabend ganz ohne Druck zu produzieren.
Damit ihm der Feierabendwinzer ihm nicht über den Kopf wächst, hält Möbitz seine Betriebs- und Flächengröße bewusst klein - Tendenz eher fallend als steigend. Seit 1996 pflegt der promovierte Chemiker seine ausgefallene Feierabendbeschäftigung. Angefangen hat alles mit 10-Liter-Glasballons im Badezimmer, in denen er seine ersten Weine vinifizierte. Schrittweise vergrößerte er sein Projekt, aber soweit, wie es mit Beruf und Familie zeitlich in Einklang zu bringen ist.
Die passenden Klone zum kalkhaltigen Boden.
Heute bewirtschaftet er auf mickrigen 0,6 Hektar verschiedene Filetstückchen am Ehrenstetter Alten Ölberg südlich von Freiburg, einer eher unbekannten Lage und doch für Burgundersorten wie geschaffen. Maßgeblichen Anteil daran haben die tiefgründigen Jurakalkböden mit meist dünner Lössauflage. Die Rebwurzeln müssen nicht lang graben, um auf den begehrten Kalk zu stoßen und dessen Mineralien in sich einzusaugen.
Henrik Möbitz besitzt mehrere kleinere Sublagen des Ehrenstetter Ölbergs. Der Großteil wird hier von Winzern bewirtschaftet, die ihr Lesegut den umliegenden Genossenschaften liefert. Möbitz hat das Glück, auf verschiedene Klone des Spätburgunders zurückgreifen zu können: deutsche Klone, burgundische Dijon Klone, dazu das hohe Alter der Rebanlagen, die er auf sehr geringen Ertrag trimmt. Sein Ziel ist es, langlebige und authentische Weine zu keltern.
Wie kompromisslos Henrik Möbitz seine Weine vinifiziert, lässt sich an seinem Weißburgunder 2011 erahnen. Der Wein ist aufgrund seiner Nase anders als das, was man normalerweise aus Baden vorgesetzt bekommt. Es ist die Roughness, diese merkwürdige rohe dunkle Frucht, weitab von kalt vergorenem Aromahefengeschmack des Durchschnitts-Weissburgunders aus Baden. Was Möbitz macht, ist klassisches Understatement mit eingebauter Vorbildfunktion.
Sie müssen ihn riechen.
Es sind Düfte, die an einen Kräutergarten erinnert. Auch an klassische Lakritzschnecken. Das Ungehobelte einer Spontanvergärung schimmert durch. Ansonsten will man eigentlich nur beschreiben, was dieser Wein nicht hat: keine Exotenfrucht, keinen Muttifruchtkitsch, keine buttrige Cremigkeit, keine Leichtverständlichkeit und keine Schnörkel. Im Gaumen knochentrocken mit kühlem Säurespiel. Eine elegante Subtraktion der Sinne auf das Mindeste, ohne eindimensional zu werden.
Es ist dieser französische Purismus, der bei Möbitz' Stilistik als Understatement mitschwingt. Was wohl dazu führte, dass ihm die badische Qualitätsweinprüfung eine AP-Nummer gleich dreimal verweigerte, den banalen Weißburgunder irgendwelcher Winzergenossenschaften von nebenan aber problemlos durchwinkte. Wer sich diese Mechanismen greifbar macht, der versteht, was bei badischen Weinen momentan falsch läuft: Es ist Behäbigkeit mit leichter Staubschicht auf den Scheuklappen, die viele badische Weingüter und ihre Erzeugnisse unfreiwillig auszeichnet. Quo vadis Baden?
Der Chemiker verzichtet auf Chemie.
Henrik Möbitz bezeichnet seine Weine als bekömmlich, was an dem moderaten Alkoholgehalt und der minimalen Schwefelung liegt. Es gehört zu seinem Selbstverständnis, so wenig wie möglich an ihnen herumzubiegen und den Weinen den Freiraum zu geben, den sie benötigen. Dazu gehört, sie nach dem Abpressen mittels Korbpresse nicht mehr umzupumpen, denn Pumpen sind in Möbitz' kleinem Kellerreich ein Tabu. Um den Most bzw. Wein dennoch zu bewegen, bedient er sich einer Hebebühne, die seine Tanks hochhebt, und den Rest die Schwerkraft erledigen lässt.
Die Weine des badischen Chemikers sind rar. Gerade mal 2500 Flaschen füllt Möbitz ab, für sich, für Freunde und für Liebhaber, die seine filigranen Erzeugnisse zu würdigen wissen. Größere Mengen sind nicht drin, dafür reicht der Atem und vielleicht der Wille nicht.
Seine Pinot Noir sind Weine, auf die man sich einlassen muss - sie haben nicht den Stil, um achtlos weggetrunken zu werden, jeder Schluck will zelebriert werden. Ist vielleicht wie Thomas Mann lesen: Von dem rattert man auch keine 200 Seiten am Abend weg, nur um seichte Unterhaltung zu ergattern.
Beste Piraten für Blindverkostungen.
Blind würde ich seine Pinot Noir niemals in die Deutschlandschublade stecken, so wie sie sich im Glas zeigen. Eigentlich erstaunlich, denn viele böse Zungen behaupten, dass deutscher Spätburgunder unwiderruflich nach deutschem Spätburgunder schmecke, frei nach dem Motto: Es gibt kein Entkommen!
Hier sind sie Fehlanzeige, diese typisch plumpen Erdbeer- und Himbeernoten, diese gekochte Art, die deutsche Spätburgunder vielmals ausmacht und wie ich sie mit ihm assoziiere. Henrik Möbitz hat seinem Pinot Noir den deutschen Beelzebub ausgetrieben und beweist, dass es ohne ihn besser geht.
Oktober 2012.
Alle Fotos: Gabriele Möbitz. - Herzlichen Dank dafür.
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