Wine-Times - das unabhängige Online-Weinmagazin
Helmut KNALL28.04.2013

Im Tessin wäre "Sideways" ganz anders ausgegangen.

Obwohl die Schweiz bei Rotwein ja auch eher für Pinot Noir bekannt ist, kommt einer der interessantesten Merlots aus dem Ticino.

Unser Gast-Autor läuft Marathons, erst kürzlich den Stadtmarathon in Wien. Böse Zungen behaupten, das tut er immer, wenn er Merlot trinken soll. Nun das stimmt nicht ganz. Es gibt sogar einen Merlot, von dem er schwärmt. Aus dem Tessin. Dorthin läuft Clemens M. Mally jetzt.

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Markant. Weingarten und Weingärtner.

Da war doch einst dieser amerikanische Film: "Sideways". Und in jedem Weinfreak der ihn gesehen hat haftet ein Zitat aus diesem Film: „No Merlot“!

Tja wer Napa kennt – mit den Nebeln die es lieben die Trauben im Spätsommer und im Herbst (besonders bei der Lese) aufzuweichen... hui, der weiss, warum der Weinkenner im Film gerade Merlot von dort verabscheut.

Ich bin kein Merlot-Fan, nein, gar nicht. Doch bevor ich nun mit der Geschichte der Merlot-Rebe beginne, und erzähle, dass sie in kühlen Jahren im Bordelaise Reife, Kraft und Extrakt brachte, erzähle ich lieber von einem Petite Village 1953, den ich in den letzten Tagen probieren durfte - oder von einem 1945er Petrus...

Merlot, der Wein den man gleich trinken kann?
Pah, wer sowas erzählt, hat keine Ahnung.

 

No Merlot? Aber was ist dann mit Petrus?

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Der Wein-Professor.

Merlot mit Säure, mit massivem Tannin (nach 67 bzw. 59 Jahren), das ist das wahre Gesicht dieser Sorte, ganz im Gegenteil zu einem Masseto dessen Ernte (warum auch immer..) weit nach hinten verschoben wurde und der naja... ich will keine Worte daran verschwenden.

Ich denke oft über gute Merlots nach. Einer meiner liebsten aus Bordeaux ist der „La Conseillante 2007“ ein exklusiver Tropfen aus dem Pomerol. 2007 deswegen, weil ich glaube, dass kühle Jahre der Sorte gut tun. In solchen Jahren kann die Sorte ihre Charakterzüge ausspielen ohne marmeladig zu werden, ohne Gerbstoff zu verlieren…
Merlot braucht Kühle.

 

Die vielleicht spannendste Region für Merlot ist das Tessin.

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Ticino. Tessin. Die italienische Schweiz.

Wie bitte? Schweiz? Tessin? Merlot? Überhaupt Wein von dort, häh?

Ja, richtig gelesen, das Tessin oder auch Ticino. Tessin, das ist dort, wo sogar die Schweizer italienisch sprechen. Merlot ist dort das, was hier in Österreich Grüner Veltliner ist, okay, nicht Weisswein, aber die Rebsorte, die dort den Ton angibt - und noch viel mehr. Satte 83 % sind mit der Sorte bestockt. Ich bin mir ganz sicher, die Leute wissen warum. Denn Hand aufs Herz: ich hab' in meinem ganzen Leben nirgendwo charaktervollere Merlots getrunken, als dort.

Mein Lieblingsweingut im Tessin heisst Zündel – Christian Zündel. In den letzten Monaten hab ich mich enorm viel mit Schweizer Wein befasst. Mit einem zweiten Winzer machte dieser Christian Zündel das Beste, was ich bisher aus dem Land der Eidgenossen getrunken hab.

Klar, es ist alles andere als billig, aber: Christian Zündel macht ein paar der besten Merlots unserer Zeit (für mich) - also warum nicht den einen oder anderen Cent dafür ausgeben? Gemessen an Charakter und Authentizität schlägt er diverse moderne Extrem-Bordeaux bei weitem und kostet vergleichsweise noch immer wenig.

 

G'studierter Quer-Einsteiger.

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Man hört ihm gerne zu.

Zündel gründete sein Weingut in Beride im Tessin. Er studierte Naturwissenschaften in Zürich. Kein Winzer schmückt seinen Stammbaum, Zündel ist Quereinsteiger, wie viele der besten Winzer dieser Erde. Alle Weine die er keltert, tragen auch gleichzeitig seine kühle Handschrift. Das gilt für seinen Chardonnay genauso, wie für Merlot oder sein Cuvée „Orizzonte“.

Wer jetzt glaubt, dass Merlot rund und süss schmecken muss, hat sich bei Zündel getäuscht. Er beraubt die Sorte ihrer Weichheit und führt sie quasi „back to the roots“. Für ihn müsse Merlot so gut, wie guter Pinot sein.

Bevor ich nun zum Merlot komme: Zündel macht einen grandiosen Chardonnay. Ein Wein der an perfekte Vertreter aus Pouilly Fuissé oder derbe, kraftvolle Meursault erinnert. Im Gegensatz zu seinen Merlots fallen die weissen Chardonnay nämlich betont kraftvoll und üppig aus; genauso wie salzig und mineralisch. Wein mit Aufmerksamkeitsbedarf eben.

 

Belebt Geist und Sinne.

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Wirkt aufgeräumt. Der kleine Keller.

So. Und jetzt reden wir mal über den Merlot:

Zündels Merlot 2010 hat 12,5 Alkohol, er wurde biodynamisch hergestellt sprich: spontan vergoren, er wurde weder aufgezuckert, aufgebessert noch geschönt oder filtriert.

Sein Name: Terraferma, ganz klar: der beste neue Merlot meines Lebens.

Einen Teil von ihm giesse ich in ein Burgunderglas, einen zweiten ins Bordeauxglas. Kurz darauf komme ich zum Fazit: das Bordeauxglas passt, aber es scheidet aus. Dieser Merlot ist halt anders.

Ich rieche an ihm: denke an gebratenes Fleisch, an Roastbeef das, bevor es gebraten wurde, ordentlich mit Senf beschmiert wurde. Denke an Wacholder, an Lorbeer, denke an Kümmel.

Ich rieche noch einmal an ihm - und spüre den dezenten Holzeinsatz der sanft an Schokolade erinnert, während ich an viel mehr denke. An Sex, Lust und Leidenschaft. Ein Merlot der solche Gedanken lebendig werden lässt. Was für ein Wein! - träume ich vor mich hin, von meiner Faszination fasziniert – keine Ahnung... Einfach unfassbar gut - und sowas von Merlot.

Chapeau Christian Zündel! Hopp Schwiiz!

 

Einfach probieren.

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Dieses Haus könnte auch ein Stück weiter südlich stehen.

Weinkeller Christian Zuendel.
6980 BerideTel.: +41 91 608 24 40Fax: +41 91 608 33 78 christian.zuendel@bluemail.ch


Hier gibts Zündels Nektare:

[www.wagners-weinshop.com/onlineshop/view/wein/schweiz/tessin/christian-zuendel-1-2.html (broken link)]

Der Chardonnay von dem ich erzählte, kostet € 42,-
Der Merlot Terraferma liegt bei € 44,-

Text: Clemens M. Mally.
Alle Fotos wurden uns von Weinshop Wagner zur Verfügung gestellt. Danke.

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