Gran Selezione als neuer Top-Italiener?
- Consorzio Chianti Classico.
- Merum.
- Wine-Times Artikel 188
- Wine-Times Artikel 146
- John Salvi, MW Tuscan Marathon.
Ein Chianti Classico soll alle Super-Tuscans und Brunello übertrumpfen.
Die Idee ist nicht neu. Nach den Export-Erfolgen von Brunello und den Super-Tuscans war Chianti-Classico aus den Top-Listen gerutscht. Mit dicken, holzigen und marmeladigen Riservas wurde völlig in die falsche Richtung reagiert. Das soll sich jetzt radikal ändern. Spannend.
An Pomp mangelte es nicht, im Palazzo Vecchio von Florenz, wohin man Wein-Journalisten aus vielen Ländern rund um den Globus geladen hatte. Und das, obwohl hier nur 33 verschiedene Weine bereit standen. Die allerdings mit einem hohen Anspruch. Nämlich, der Top-Wein der Toscana werden zu wollen. Den schwarzen Hahn des Chianti Classico wieder kräftig und laut krähen – und zu einstigem Ruhm und Erfolg zurückkehren zu lassen. Mit dem „Chianti Classico Gran Selezione“.
Entstanden ist die Idee schon in den späten 1990er Jahren, als man nach den Export-Erfolgen von Brunello und den eigenen Super-Tuscans, irgendwie das Gefühl hatte, nicht mehr up to date zu sein. Also beriet man in den Gremien jahrelang, wie man denn wieder an die Verkaufserfolge früherer Zeiten anschliessen könne.
Nun, kurz vorweg, was sich die Herrschaften vorgenommen haben, haben sie auch perfekt umgesetzt. Definiert wurde ein Wein, der viel typische Frucht in die Flasche bringt. Das tun tatsächlich alle. Es solle ein Wein mit kraftvoller Struktur, aber auch Eleganz sein. Auch das schaffen tatsächlich die meisten. Und er möge die animierende Säure mitbringen, die den Sangiovese doch so typisch macht. Ja, auch die ist überall da, alle Weine wären durchaus animierend.
Alles bestens also? Warum aber, fragt sich der aufmerksame Leser jetzt vermutlich, warum ist da so ein Gefühl, dass da jetzt ein grosses „Aber“ folgen muss. Ja, gut aufgepasst. Es ist leider so. Das „Aber“ folgt.
Neulich in Florenz.
Aber, bis auf einige wenige Weine haben die meisten Gran Selezione neben der tollen Struktur auch eine unangenehme Trockenheit, Adstringenz genannt. Das ist das Gefühl im Mund, als ob der Wein versuche, das Zahnfleisch von den Zähnen zu schrumpfen. Und nach all den wunderbaren extraktsüssen Kirschen, die mit perfekt balancierter, lebendiger Säure in jeden Winkel des Gaumens tanzten, bleibt dann im Nachhall ein Gefühl zurück, das man nur mit Hilfe einer grossen Flasche Wasser oder besser einigen Gläsern Champagner oder Riesling wieder weg bringt.
Nun gut, denkt sich der Profi, wir werden sie nochmals zu kosten bekommen, vielleicht war das ja nur der erste Eindruck. Also zweiter Versuch beim Abendessen. Das hilft ja meist. Vor allem bei Weinen mit natürlich hohem Tannin-Anteil, wie Barolo & Co, ja sogar bei Sagrantino. Es hilft auch bei Chianti Classico Gran Selezione – ein bisserl. Also erster Tipp. Unbedingt etwas kräftiges zu essen dazu servieren, zumindest eine würzige Salami oder Prosciutto San Daniele etwa.
Die Wahrheit der Anteprima.
Am zweiten Tag aber die Wahrheit wieder ganz deutlich. Bei der Anteprima, das ist die Veranstaltung in Florenz, bei der die aktuellen Weine, die in diesem Jahr auf den Markt kommen werden, also heuer Chianti Classico 2012 und Chianti Classico Riserva 2011, präsentiert werden.
Sie dürfen sich das ungefähr so vorstellen: In einem endlos langen ehemaligen Bahnhof stehen um die 400 Weine, daneben sitzen an kleinen Tischen Journalisten und Fachleute aus aller Herren Länder – und versuchen sich da in zwei Tagen einen Überblick über die aktuellen Jahrgänge zu verschaffen. Am zweiten Tag stehen einem auch noch die Winzer selbst in der Halle daneben Rede und Antwort.
Das ist übrigens eine ausgezeichnet organisierte Verkostung, man hat wirklich Ruhe und kann sich konzentrieren und gut verkosten. Aus ausgezeichneten Gläsern. Das bietet natürlich auch die Möglichkeit, alle Störfaktoren in den Weinen zu finden. Auch bei den „Umjubelten“.
Und hier stört diese Adstringenz wieder deutlich. Nun fragen wir uns natürlich alle, wo die denn herkommt. Nun, da ist zuerst einmal die Vorschrift von 30 Monaten im Fass. Das verwirrte einige Verkoster, denn es waren hier ja auch schon 2011er angestellt. Hinterfragt lautet es ein wenig anders, 30 Monate Reife vor dem Verkauf, davon mindestens 3 Monate auf der Flasche. Aber die lange Reife bedingt ja nicht unbedingt adstringierende Tannine, im Gegenteil, die lange Reife sollte eigentlich helfen, diese zu integrieren.
Dann ist da die Regelung im Chianti Classico Reglement, das auch für die Gran Selezione gilt, in dem neben 80% Sangiovese eben auch 20% andere Rebsorten erlaubt sind. Auch internationale.
Und wenn ich mir dann ansehe, dass ausgerechnet bei den Produzenten, die grössere Mengen dieses Weines produzieren, fast überall ein deutlicher Cabernet-Anteil vorhanden ist, dann wäre das eine erste Möglichkeit, lässt mich allerdings bei den anderen Produzenten, die auf reinen Sangiovese setzen oder mit kleinen Anteilen autochthoner Rebsorten arbeiten, dann erst recht wieder ratlos zurück.
Ich gebe zu, ich kann es mir nicht wirklich erklären, wo das herkommt und ich mache ja selbst Wein, kenne mich da schon ein wenig aus. Aber erhalte auch bei Kollegen und Produzenten keine helfende Antwort. Die Tatsache bleibt trocken.
Anmerkung: Im Jahr darauf war diese Adstringenz grossteils tatsächlich im Griff, ab 2012 sind die allermeisten Gran Selezione wirklich so, wie vom Consorzio beschrieben.
Schmeckt. Aber passt die Strategie?
Und dann ist da noch die Frage, die wir uns natürlich vorher schon gestellt hatten. Wartet irgendjemand auf der Welt tatsächlich auf einen neuen Top-Wein aus Italien? Aus der Toscana? Aus Chianti Classico? Vor allem in der Preiskategorie, wo die angesiedelt werden, nämlich Endverbraucher 35,- bis 45,- Euro oder rund 60,- bis 70,- US-Dollar. Da wird die Luft ganz schön dünn.
Tja, dann stolpert der aufmerksame Chronist auch noch über das nächste schwer zu erklärende Phänomen bei dieser Gran Selezione Präsentation. Denn hier steht auch, dass der Wein aus einem „Single-Vineyard“, einer einzelnen Lage oder eine Selektion der besten Trauben aus den besten eigenen (!) Weingärten sein solle. Nun, das glaube ich auch den meisten, die da mit 1.000 bis von mir aus bis 20.000 Flaschen in der Liste stehen. Aber da stehen ja auch welche mit 88.000, 100.000 ja sogar 500.000 Flaschen.
Und auch wenn das grosse Weingüter sind, dann frage ich mich schon, aus welcher Einzellage wohl eine halbe Million Flaschen kommen könnte. Und selbst wenn man von der Selektion ausgeht, dann zu rechnen beginnt, wieviele Flaschen Chianti Classico, Riserva und Gran Selezione aus den im Chianti Classico liegenden Hektar-Angaben eigener Weingärten stammen sollen, dann wird das sehr interessant.
Skepsis trifft Optimismus.
Zum Schluss denken wir Schreiber und natürlich auch die Importeure noch über etwas ganz anderes nach. Nämlich, ob es nicht andersrum sinnvoller gewesen wäre.
Den Chianti Classico an sich (also die Annata) wieder Top zu machen. Denn, wie sagte mein Kollege aus Benelux so schön: „Zuerst haben sie aus dem Chianti Classico die besten Trauben herausselektioniert, um daraus eine Riserva zu machen. Jetzt selektionieren Sie aus der Riserva die besten Trauben heraus, um eine Gran Selezione zu machen. Was bleibt über? Ein Chianti Classico, der bei uns im Supermarkt 3,- Euro kostet!“
Ich bin nicht ganz so streng. Auch wenn ich mir denke, der Kollege hat nicht ganz Unrecht. Aber erstens ist das der erste Jahrgang der Chianti Classico Gran Selezione. Vielleicht arbeiten die Herren Oenologen ja noch ein bisschen an der Struktur und der Adstringenz, dann könnte das durchaus hie und da ein grosser und spannender Wein werden.
Und andererseits bin ich über die hier gezeigten 2012er und 2011er Chianti Classico Basis-Kollektionen doch im Grossen und Ganzen recht erfreut, da gibt es ganz viele charmante, trinkige, animierende Weine, die viel Vergnügen bereiten und als Glas in der Vinothek an der Bar im glasweisen Verkauf ein Renner sein könnten, genauso, wie ich sie selbst zum „Kalten Abendessen“ mit Schinken, Salami und Käse sehr gerne trinken werde. Cin Cin.
Dieser Artikel erschien erstmals in einer gekürzten Version im Merum 2/2014
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